Ein Ausnahmejurist
Das Gesamtwerk von Heinz Düx liegt nun in einem Band vor
Von Erich Buchholz
Dem Marburger Historiker Friedrich-Martin Balzer gelingt es wieder
einmal, mit einem von ihm herausgegebenen Buch eine Persönlichkeit der
Öffentlichkeit vorzustellen, die besondere Aufmerksamkeit verdient:
»Heinz Düx. Justiz und Demokratie. Anspruch und Realität in
Westdeutschland nach 1945«. Auch wer keine Kenntnisse von Justiz in
diesem Land hat, weiß, daß sich die westdeutsche – im krassen Gegensatz
zu der in Ostdeutschland – nach 1945 maßgeblich aus dem Personal
rekrutierte, das Hitler gedient hatte. Artikel 131 des Grundgesetzes,
der die Rechtsansprüche »früherer Angehöriger des öffentlichen Dienstes«
sicherte, bewirkte unter anderem, daß an vielen Gerichten der BRD mehr
frühere Mitglieder der NSDAP tätig waren als vor 1945. Sie wirkten im
gleichen Geist wie vor 1945 – von der Adenauerschen
Kommunistenverfolgung in den 50er Jahren bis zu deren Neuauflage in
Gestalt der rechtswidrigen, gegen den Einigungsvertrag verstoßenden
Drangsalierung von DDR-Bürgern durch die »Schüler« jener Richter und
Staatsanwälte.
Fundgrube
Heinz Düx war aus anderem Holz geschnitzt. Bereits in der Einleitung
Balzers unter dem Titel »Heinz Düx, demokratischer Jurist und
Antifaschist« erfährt der Leser von einem außergewöhnlichen Lebenslauf.
[…] Die biographische Skizze läßt seine Haltung zum Recht, zur
Demokratie und zum Faschismus erkennen: Er gehörte zu den herausragenden
demokratischen Juristen und Antifaschisten der BRD.
Einzelkämpfer
Das von Balzer
edierte, nahezu tausend Seiten umfassende Werk mit 203 Arbeiten von Düx
öffnet dem Leser Einblicke in dessen publizistisches Wirken. Der Bogen
reicht im ersten Teil des Bandes von der Dissertation bis zu einem
»Rückblick nach mehr als fünfzig Jahren« unter dem Titel »Die Beschützer
der willigen Vollstrecker. Persönliche Innenansichten der
bundesdeutschen Justiz«. Der zweite Teil trägt die Überschrift: »Ein
Leben für die juristische Bewältigung der faschistischen Verbrechen, für
Rehabilitierung und Entschädigung für Opfer des deutschen Faschismus«.
Unter dem Titel »Kritischer Kommentator der bundesdeutschen Geschichte«
finden sich im dritten Teil Texte zum Thema »Antifaschismus«, in denen
z. B. das Potsdamer Abkommen als »Tor zur Demokratie« und als nach wie
vor aktuelles und verbindliches Recht gewürdigt wird. Es folgen Texte zu
»Frieden durch Abrüstung und Entspannung«, »Verfassungsrecht« und »Zur
Deutschen Frage«. In ihnen setzt sich Düx auch damit auseinander, wie
sich das Bundesverfassungsgericht im KPD-Verbotsprozeß über eine
mögliche »Wiedervereinigung« äußerte. […]
Dem Herausgeber
gebührt Dank für die Riesenarbeit dieser vorzüglich gelungenen
»Ausgrabung«. Das Ergebnis verdient Beachtung unter allen
fortschrittlichen Juristen, insbesondere solchen, die in der DDR gewirkt
haben und denen das Leben und Werk von Düx unbekannt blieb. Seriöse
Geschichtsschreibung wird die Geschichte der Bundesrepublik nicht
behandeln können, ohne auf die Analysen, die hier versammelt sind,
zurückzugreifen.
In: junge Welt vom 16. Dezember 2013, S. 15
Ein antifaschistischer Jurist
Von Ulrich Schneider
[…] Bis in die letzten Texte und Interviews
dieser Dokumentation kreist seine Beschäftigung um den Frankfurter
Auschwitz-Prozeß, der für ihn ein Verfahren von herausragender Bedeutung
war, gelang es doch hier zum ersten Mal, ein Menschheitsverbrechen auch
mit juristischen Instrumenten weitgehend angemessen aufzuarbeiten.
In der abschließenden Bewertung formuliert
Balzer: „Als Widersacher des ‚Strafvereitelungskartells‘ (Ingo Müller)
aller drei Staatsgewalten gegenüber den Tätern und als Verfechter der
‚Wiedergutmachung‘ gegenüber allen Opfern des Nazi-Regimes, u.a. als
Sachverständiger bei drei Anhörungen des Deutschen Bundestages, stellt
Düx einen Orientierungspunkt in einer Zeit ohne Leitfiguren für die seit
1968 nachwachsende Generation fortschrittlicher Juristen dar. Als
Untersuchungsrichter im Frankfurter Auschwitz-Prozeß und als
Vorsitzender Richter am Frankfurter Oberlandesgericht stellt Düx eine
Ausnahmeerscheinung der bundesdeutschen Justizszene dar und ist zu einem
der wenigen Motoren bei der juristischen Aufarbeitung des deutschen
Faschismus geworden.“
Die Dokumentation ist eine empfehlenswerte
und spannende Lektüre auch für interessierte juristische Laien.
In: Die Glocke von Ettersberg, 12/2013, S.
9-10
Georg Fülberth In: KONKRET 1/2014,
S. 60
50 Jahre Auschwitz-Prozeß: Bei dieser
Gelegenheit ist an den hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer
erinnert worden, der nicht ruhte, bis im Frankfurter Haus Gallus einige
Täter auf der Anklagebank saßen. Zuweilen wird auch der 1924 geborene
Untersuchungsrichter Heinz Düx erwähnt. Für ihn wie für Bauer war der
Frankfurter Prozeß keine Fundsache – ebensowenig wie »die Beschützer der
willigen Vollstrecker«, seine Kollegen, die irgendwie keine Nazi- und
Kriegsverbrecher ausfindig machen konnten, etwa nur zufällig einen
blinden Fleck abbekommen hatten. Düx war in der KPD, der SPD, der
Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes, schrieb in randständigen
linken Blättern und wurde dennoch 1970 Vorsitzender eines Zivilsenats am
Oberlandesgericht in Frankfurt am Main. Solche Karrieren waren damals
fast nur in Hessen möglich. Sein Senat hatte viel mit Rückerstattungs-
und Entschädigungsfragen zu tun. Die juristische Beschäftigung mit den
Nazi-Verbrechen und der Einsatz für die Rehabilitierung der Opfer waren
seine Lebensthemen. Es führte ihn zu einem zweiten Gegenstand: dem
Zustand der westdeutschen Justiz, in der er seine Inneneinsichten eines
Außenseiters gewann.
Zum Glück hat Düx das, was er dabei erlebte,
aufgeschrieben – in einer Flut von operativen Schriften: Fachartikeln,
Gutachten, Referaten bis hin zu Leserbriefen. Dabei gerät er notwendig
immer wieder auch aus dem juristischen Feld hinaus, wenn er zeigen muß,
was Berufsverbote, Rüstungspolitik, der immer trauriger werdende Zustand
der SPD mit der Kontinuität der bürgerlichen Gesellschaft in Deutschland
zu tun haben. Nicht ganz nebenbei entsteht eine Art Kommentar zu
ausgewählten Artikeln des Grundgesetzes.
Zum Glück hat sich jetzt ein
Herausgeber gefunden, der all dies gesammelt hat: fast 1.000 Seiten. Ob
sie heute viele Leserinnen und Leser finden werden, muß bezweifelt
werden. Macht nichts. Es gibt ja auch eine Zukunft. In ihr wird man
wahrscheinlich staunend lesen, welch merkwürdige Kämpfe im vergangenen
Jahrhundert geführt werden mußten, um ein paar Nazis vor Gericht zu
bringen und einigen – bei weitem nicht allen – der von ihnen
Geschundenen ein wenig zu helfen, und daß, wer das tat, notwendig am
linken Rand der Gesellschaft landen und bleiben mußte. In deren Mitte
war nichts auszurichten.
Es gibt noch Richter in Frankfurt
Von Heinrich Hannover
So hätte man sich die bundesdeutsche Justiz gewünscht.
Friedrich-Martin Balzer hat das publizistische Lebenswerk eines
Richters herausgegeben und eingeleitet, der gleichrangig neben
Fritz Bauer und Richard Schmid genannt werden muß, wenn von
demokratisch und antifaschistisch gesinnten Juristen die Rede
ist: Heinz Düx, der in der kritischen Auseinandersetzung mit der
konservativen Mehrheit seiner Kollegen kein Blatt vor den Mund
nahm und deshalb keine Chance hatte, Senatspräsident oder
Richter am Bundesgerichtshof zu werden. Aber die Position eines
Senatsvorsitzenden am Oberlandesgericht Frankfurt am Main konnte
ihm nicht versagt werden. Und dort konnte er in Rückerstattungs-
und Entschädigungssachen für Opfer des Naziregimes Recht
sprechen, das von vielen seiner Kollegen systematisch gebeugt
wurde.
Das umfangreiche Buch mit den Veröffentlichungen dieses vorbildlichen
Richters bietet nun einen Einblick in sein kämpferisches und
aufklärerisches Wirken. Er war der richtige Mann für die ihm
zugedachten Aufgaben als Untersuchungsrichter bei der
Vorbereitung des Auschwitz-Prozesses. Schon dabei lernte Düx
erschreckende Innenansichten der bundesdeutschen Justiz kennen,
die sich nur widerwillig mit der Wiedergutmachung des
NS-Unrechts befaßte.
Das Buch gibt eine lebendige Darstellung der Widerstände und
Repressionen, denen ein Jurist ausgesetzt war, der sich gegen
den Strom der noch im Denken des vorangegangenen Regimes
befangenen Juristenmehrheit stemmte. Düx scheute nicht den
Konflikt mit den Beschützern der willigen Vollstrecker und mußte
deren öffentliche Beschimpfungen aushalten, wenn er
Berufsverbote und andere reaktionäre Staatsaktionen als
undemokratisch anprangerte und sich für Verfolgte des
Naziregimes einsetzte.
Auch vor Sippenhaft blieb er nicht verschont, als sein Sohn zur
Zielscheibe existenzbedrohender Angriffe wurde. Dieser mußte
fünf Jahre um seine Anwaltszulassung kämpfen, weil er es als
Referendar gewagt hatte, sich als Vertreter eines
Strafverteidigers auf Dispute mit Gerichtsvorsitzenden
einzulassen. Die Absurdität des Vorwurfs legt die Vermutung
nahe, daß es in Wirklichkeit um die stellvertretende Bestrafung
des Sohnes für seinen unangepaßten Vater ging. Keine
Schwierigkeiten sah der Bundesgerichtshof dagegen bei der
Anwaltszulassung eines NS-Richters, der sich als Mörder in
Richterrobe betätigt hatte. Begründung: »Die Mitwirkung an einem
Todesurteil durch ein Sondergericht an einem Polen ist nicht
unwürdig, da der Antragsteller nicht anders konnte.«
Ein weiteres Beispiel für den in den 1960er Jahren in der Justiz
herrschenden Zeitgeist: »Im Gespräch über eine Demonstration der
68er, die die Polizei mit Wasserwerfern bekämpft hatte, bemerkte
ein Richter am Oberlandesgericht, der später Senatsvorsitzender
wurde, Wasserwerfer seien nicht das geeignete Mittel der
Bekämpfung solcher Demonstrationen, sondern Flammenwerfer. Das
war kein leicht hingeworfenes Effektwort, sondern sein
flackernder Blick und seine zitternde Stimme verrieten sein
mörderisches Wünschen und Wollen.«
Das Buch bietet auch eine Fülle von Buchbesprechungen, die zu weiterer
Lektüre anregen, und lesenswerte kritische Kommentare zum
Zeitgeschehen, die in wohltuendem Kontrast zur herrschenden
Meinung stehen.
In: Ossietzky. Zweiwochenschrift für Politik/Kultur/Wirtschaft, 17.
Jg., Nr. 4 vom 1. Februar 2014, S.140-141
Konsequent demokratisch
Der Antifaschist und Ausnahmejurist Heinz Düx wird 90
Es gibt zwei aktuelle Anlässe, .auf Dr. Heinz Düx – seinerzeit
Untersuchungsrichter beim Frankfurter Auschwitzprozess,
Vorsitzender Richter beim Oberlandesgericht, und ehemals
Präsidiumsmitglied der VVN-BdA in der alten Bundesrepublik –
besonders hinzuweisen:
Vor kurzem ist ein 980 Seiten starkes Werk von Schriften und Arbeiten
aus seiner Feder erschienen
- und am 24. April ist sein 90. Geburtstag.
In vierzig Jahren Justizdienst war Heinz Düx primär mit juristischen
Aufarbeitungen der Verbrechen des deutschen Faschismus
beschäftigt. Als Untersuchungsrichter beim Frankfurter
Auschwitzprozess hatte er wesentlichen Anteil am Zustandekommen
dieses Verfahrens. Später, als langjähriger Vorsitzender des
Entschädigungssenats des Frankfurter Oberlandesgerichts, waren
auch hier Folgen des Naziregimes sein Arbeitsthema.
Fast noch wesentlicher und aussagekräftiger sind seine politischen und
publizistischen Arbeiten und Engagements.
Heinz Düx, radikaler Demokrat und Antifaschist, gehörte – zum Teil nur
zeitweise, was u.a. seiner Distanz gegenüber
Organisationsapparaten entspricht; er selbst nennt seine
Organisationszugehörigkeiten »zeitweise Assoziierungen« – u.a.
der KPD, der SPD, der Gewerkschaft ÖTV, der VVN und der
Vereinigung demokratischer Juristen (VdJ) an; bei den
letztgenannten als Präsidiums- bzw. Vorstands- und
Gründungsmitglied.
Er engagierte sich ebenso in der Friedensbewegung und in der
Protestbewegung gegen die Berufsverbote; er war Mitgründer und
Autor der Zeitschrift »Demokratie und Recht«; schrieb Kommentare
in der antifaschistischen Wochenzeitung »die tat«, publizierte
in weiteren Medien und hielt zahlreiche Vorträge.
Es ist unmöglich, in einem einzigen Artikel die Leistungen dieses
»Ausnahmejuristen«, wie Erich Buchholz ihn nannte, mehr als nur
ansatzweise zu beschreiben und zu würdigen. Es gibt – neben
weiteren Publikationen von und über Heinz Düx – zwei mehr oder
minder aktuelle Werke, die viel über ihn aussagen: Da ist einmal
der Dokumentarfilm von Heinz Rösing (Bremen): »Der Einzelkämpfer
– Richter Heinz Düx«, der eindrucksvoll und anschaulich über
Lebensabschnitte und Leistungen von Heinz Düx berichtet.
Und es gibt das vor kurzem im Verlag Pahl-Rugenstein erschienene Buch
»Heinz Düx:. Justiz und Demokratie«, herausgegeben von
Friedrich-Martin Balzer. Es enthält weit über zweihundert
Arbeiten von Heinz Düx und gibt damit – insbesondere auch durch
das ausführliche Vorwort des Herausgebers Friedrich-Martin
Balzer – interessante und aufschlussreiche Einblicke in die
vielfältigen Leistungen und das Leben dieses Mannes. Das Buch
beinhaltet neben dem Text seiner Dissertation von 1948 u.a.
kritische Kommentare zur bundesdeutschen Geschichte, zu den
Themen Antifaschismus, Frieden, Abrüstung und Entspannung, zum
Verfassungsrecht, vor allem auch Beiträge der Justizkritik sowie
autobiographische Texte.
Wer Heinz Düx, sein Engagement und seine Ansichten kennenlernen will,
wer Näheres und Kritisches über die bundesdeutsche Geschichte
und Justiz erfahren will, kann dies alles am besten durch die
Lektüre dieses Buches.
Heinz Düx beschränkt sich nicht aufs nur Juristische. Für ihn gehören
die gesellschaftlichen Verhältnisse und die politischen
Entwicklungen immer dazu. Dabei lässt er Zusammenhänge und
Ursachen nicht außeracht – und weicht auch nicht der Frage aus,
wie man die Dinge möglicherweise verändern könnte.
Heinz Düx hat eine einnehmend freundliche Art. Wenn er sich mit
politischen Entwicklungen und Ereignissen befasst, ist er jedoch
keineswegs zurückhaltend. Er nennt die Dinge beim Namen, legt
den Finger auf die Wunde. Wenn er etwas erforscht und erkannt
hat, vertritt er, ohne rechthaberisch aufzutreten, nachdrücklich
seinen Standpunkt, gegebenenfalls auch ohne Rücksicht auf
mögliche Nachteile für ihn.
Im deutschen Justizapparat war er eine Besonderheit, eine rühmliche
Ausnahme – und nicht bei allen Teilen der Justiz und der
Gesellschaft beliebt, schon gar nicht bei der der herrschenden
Politik. Die hessische CDU versuchte in den siebziger und
achtziger Jahren zweimal, die Entlassung von Heinz Düx aus dem
Justizdienst zu erreichen; erfreulicherweise ohne Erfolg.
Er ist auch heute noch, soweit Alter und Gesundheitszustand es ihm
erlauben, gelegentlich unterwegs, an politischen Debatten und
Ereignissen immer interessiert – und vielerorts ein gern
gesehener Gast und willkommener Gesprächspartner.
Heinz Düx im Dokumentarfilm »Der Einzelkämpfer – Richter Heinz Düx«
von Wilhelm Rösing 2011.
Justiz und Demokratie. Anspruch und Realität in Westdeutschland nach
1945, 980 Seiten, 39,99 EUR P. C. Walther
In: antifa, Magazin der VVN-BdA für
antifaschistische Politik und Kultur, März/April 2014, S.19
Ein Richter stellte sich quer
Von Ludwig Elm
Heinz Düx wird am 24. April 2014 neunzig Jahre alt. Wenige Monate
vorher legte Friedrich-Martin Balzer eine umfassende Sammlung
wissenschaftlicher, juristischer und politischer Texte von ihm
vor. Düx hatte das 1944 begonnene Jurastudium wegen
Kriegseinsatzes abbrechen müssen. Er setzte es nach dem Krieg
bis zu den Abschlüssen als Referendar und Assessor fort.
Vorübergehend als Assessor und Rechtsanwalt in einem Frankfurter
Anwaltsbüro (1951-1954) und dann über ein Berufsleben lang als
Richter war er mit der Bewältigung von Rechtsfolgen der
faschistischen Diktatur und des Zweiten Weltkrieges befaßt:
Beauftragter Richter und Landgerichtsrat in Darmstadt und
Frankfurt am Main; ab 1961 Untersuchungsrichter beim Landgericht
Frankfurt für KZ- und Euthanasieverbrechen; Richter am
Oberlandesgericht Frankfurt seit 1966, darunter im
Rückerstattungs- und Entschädigungssenat, dessen Vorsitzender er
von 1970 bis zur Pensionierung 1989 war. Bis Ende der neunziger
Jahre war er mehrfach Sachverständiger in Anhörungen zu
Wiedergutmachungsfragen im Deutschen Bundestag.
Teils zeitweilig, teils länger gehörte Düx der KPD bzw. SPD, der ÖTV
(Gewerkschaft öffentliche Dienste, Transport und Verkehr), der
VVN-BdA und der Vereinigung demokratischer Juristen an.
Ungeachtet verschiedener Mitgliedschaften, bemerkt Balzer,
»bleibt Düx ein Einzelkämpfer [...] Für Düx ist eine
Organisationszugehörigkeit keine dauerhafte politische Heimat,
sondern eine zeitlich begrenzte Operationsbasis« (17). Sowohl
die politischen Bindungen als auch sein entschieden
demokratisches und antifaschistisches Rechtsdenken weisen ihm
eine Ausnahmestellung in der bundesdeutschen Richterschaft der
Nachkriegsepoche zu. Seine umfangreiche Publizistik war darauf
gerichtet, diese Positionen gegen mächtige herrschende
ideologische und rechtspolitische Strömungen in die öffentliche
Meinungsbildung einzubringen.
In seiner Einführung skizziert der Herausgeber berufliche Stationen
und thematische Wirkungsgebiete des Richters, Autors und Redners
– eingeschlossen Erfolge, Verbündete und Widersacher sowie
Anfeindungen. Der Hauptteil des Buches ist in drei Teile
untergliedert.
Im Teil 1 »Anfang und Ende« finden sich die Dissertation von
1948 sowie ein »Rückblick nach mehr als 50 Jahren«. Die
Dissertation von Januar 1948 wird mit diesem Band erstmals
veröffentlicht: »Die freie Gewerkschaftsbewegung, ihr Wesen und
ihr Einfluß auf die Rechtsentwicklung von der Gründung bis zum
Ausbruch des 1. Weltkrieges« (31-118). Sie ist eine informative
und lesenswerte Darstellung zur Herausbildung der
gewerkschaftlichen Stränge der Arbeiterbewegung und des von ihr
erkämpften Platzes nach 1848/49 sowie in der politischen und
Rechtsordnung des Kaiserreiches. Der Autor erörterte den
geschichtlichen Streit zwischen Liberalismus und Sozialismus um
den Weg und Platz der Arbeiterschaft, den wachsenden
intellektuellen und politischen Einfluß des Marxismus, die
organisatorischen Formen der Herausbildung der Gewerkschaften
sowie die letztlich erhebliche »rechtsgestaltende Wirkung der
freien Gewerkschaften«. Damalige Schlußbetrachtungen von Düx
lassen subjektive Ausgangspositionen für sein späteres Wirken
erkennen: »Das Recht ist nur in Verbindung mit der
Sozialwissenschaft wissenschaftlicher Betrachtung fähig, denn
die abstrakten, vom Sozialleben losgelösten Rechtsnormen sind im
Grunde nur eine Utopie« (114). Der größere Teil
rechtsgeschichtlicher Arbeiten abstrahiere das Recht von seiner
sozialen Grundlage. Jedoch: »Veränderte Produktionsmethoden
ergeben neue sozialpolitische Ideen. Diese wiederum drängen auf
eine Veränderung der Rechtsnormen. In dem Maße, wie sich die
Produktionsmethode ändert, nimmt auch das Recht eine andere
Gestalt an« (115).
In seinem »Rückblick« (119-174), einem 2004 ebenfalls von F.-M. Balzer
veröffentlichten Essay, mit der Überschrift »Die Beschützer der
willigen Vollstrecker. Persönliche Innenansichten der
bundesdeutschen Justiz«, erinnert Düx an Stationen und Beispiele
der faschistischen Massenmorde im Zweiten Weltkrieg, vorbereitet
im Rassismus und Antisemitismus lange vor und forciert nach
1933. Die Ausgangssituation von 1945 ließ die Schwierigkeiten
und Gefährdungen eines wirklichen Neubeginns erkennen, zu denen
bald verschärfend die westdeutsche Restauration und der Kalte
Krieg kamen. Düx bietet als Insider einen Exkurs zu
bundesdeutscher politischer und Rechtsgeschichte im Umgang mit
einer barbarischen Vergangenheit und ihren Hinterlassenschaften.
Der letzte Abschnitt lautet: »Der Kampf um eine umfassende
juristische Bewältigung der NS-Vergangenheit ist weitgehend
vergeblich« (S. 170).
Teil II umfaßt mehr als fünfzig Artikel, Referate und Kommentare von
1958 bis 2013 aus Fachzeitschriften, Sammelbänden, Zeitungen,
Protokollen von Tagungen und parlamentarischen Anhörungen. Es
geht um ein breites Themenspektrum: Auslegungen des
Bundesrückerstattungsgesetzes und des
Bundesentschädigungsgesetzes; Verjährung von
NS-Gewaltverbrechen; fragwürdige Argumente, Entscheidungen und
Urteile zugunsten von NS-Tätern; andauernde Diskriminierung der
Sinti und Roma; antifaschistischer Inhalt der Charta und von
Resolutionen der UNO; Naziverbrechen in Polen; Wannsee-Konferenz
1942, die Vernichtung der Juden und die Leugnung von Auschwitz;
Euthanasieverbrechen und Zwangsarbeit; Nürnberger Prozeß
1945/46; Defizite der Wiedergutmachung sowie jahrzehntelange
Diskriminierung von NS-Verfolgten und -Opfern, darunter
Deserteure und Kriegsdienstverweigerer; Wirkung des
Auschwitz-Prozesses; Schonung der Nazi-Juristen. Viele Beiträge
erschienen in der antifaschistischen Wochenzeitung »die tat« und
erinnern damit an deren Verdienste um die NS-Opfer und bei der
Kritik an Verbleib und Karrieren von Tätern. Eine
Erstveröffentlichung zum Themenkreis Euthanasie-Morde findet
sich in literarischer Form: »Schloß Hartheim. Eine deutsche
Begebenheit auf österreichischem Boden. Drama in 3 Akten«
(265-288).
In Teil III finden sich zeitgeschichtlich angelegte Artikel,
Referate, Kommentare, Interviews, Zuschriften etc. Die rund 150
Beiträge sind nach Stichworten geordnet: Kritischer Kommentator
der bundesdeutschen Geschichte, Antifaschismus, Für Frieden
durch Abrüstung und Entspannung, Verfassungsrecht, Zur deutschen
Frage, Vereinte Nationen und Menschenrechte, Justizkritik,
Portraits, Autobiographische Texte. Weitere Abschnitte sind nach
den Bezügen zu Artikeln des Grundgesetzes gruppiert.
Bewegend sind die Portraitskizzen über den Strafverteidiger der Roten
Hilfe, Hans Litten (1903-1938), den Hessischen
Generalstaatsanwalt Fritz Bauer (1903-1968) und Hermann Langbein
(1912-1995) als persönliche wie kollegiale Würdigungen ihrer
Wege im politischen und Rechtsstreit gegen faschistische
Menschenverachtung und Mordlust, für die Belange der Verfolgten
und Opfer von den zwanziger bis in die neunziger Jahre. Am 28.
Februar 1933 in »Schutzhaft« genommen, starb der mutige
Nazigegner Litten am 5. Februar 1938 im KZ Dachau. Der von den
Nazis verfolgte und emigrierte Fritz Bauer, so Düx, sei der
einzige Generalstaatsanwalt aller Bundesländer, der »einen
historisch relevanten Platz« einnehme: »Bauers Ermittlungsarbeit
in Ansehung der NS-Gewaltverbrechen bewirkte, daß die Welle der
Täterbegünstigung während der fünfziger Jahre von einflußreichen
Kräften in Staat und Gesellschaft nicht in der Weise genutzt
werden konnte, die Verfolgung von NS-Massenverbrechen gänzlich
zum Erliegen zu bringen« (S. 906). Der österreichische Kommunist
und Spanienkämpfer Hermann Langbein wurde 1939 in Frankreich
interniert, 1941 an Deutschland ausgeliefert und kam über das KZ
Dachau nach Auschwitz. Er war Mitbegründer und erster
Generalsekretär des Internationalen Auschwitz-Komitees. Düx
hatte ihn als Zeugen im Auschwitz-Prozeß kennengelernt, der
betroffene Opfer unterstützte, später über den Prozeß eine
Dokumentation veröffentlichte sowie sich für
Entschädigungsleistungen an NS-Verfolgte engagierte.
Persönliches in den autobiographischen Texten des Teils III (915-951)
ergänzt und bestätigt Einschätzungen der vorangegangenen
Jahrzehnte. Ein Auszug aus einem Interview mit dem »Frankfurter
Landgerichtsboten« von 1989 möge das illustrieren: »Frage:
Stimmt es Ihrer Meinung nach, daß es nach dem Krieg oft nicht
ratsam war, sich als ehemaliger KZ-Häftling oder
Widerstandskämpfer zu erkennen zu geben? Düx: Als die
Betreuungsstellen gegründet wurden, unmittelbar nach 1945, da
konnte man so etwas noch vorbringen. Aber als dann drei, vier
Jahre ins Land gegangen waren, war das schädlich. Die Leute, die
im Widerstand gewesen waren, die waren eigentlich nicht gefragt.
Es gab auch viele, die haben das geheim gehalten, die gaben sich
gar nicht zu erkennen. Genauso ist das bei den Juden gewesen.
Das ist heute noch so« (929).
In einem »Nachwort« von 2011 (Erstveröffentlichung) und veranlaßt von
Diskussionen zu dem im gleichen Jahr fertig gestellten
Dokumentarfilm über Düx »Der Einzelkämpfer« äußerte Düx am Ende
einer Rückbesinnung: »Wie in fast allen Lebenssituationen kommt
man rückschauend häufig zu dem Ergebnis, daß man alles noch
nachhaltiger hätte erledigen können, aber die Kontinuitäten
zwischen dem deutschen Nachkriegsstaat und seinem faschistischen
Vorgänger waren doch ein arges Hindernis für bessere Ergebnisse«
(947).
Die nach ihrer Bestimmung und Natur sehr verschiedenartigen Beiträge
von Düx aus mehr als sechs Jahrzehnten verbinden
antifaschistisches Wissen und Wollen mit der Kompetenz und
fachlichen Präzision des Juristen, argumentative
Folgerichtigkeit mit einem weiten geschichtlichen und
gesellschaftspolitischen Horizont. Balzer resümiert: »Düx stellt
zusammen mit dem hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer
(1903-1968) eine singuläre und irreguläre Erscheinung von
historischem Rang dar, die aufgrund ihres berufsbezogenen
Engagements in Praxis und Theorie einen relevanten Platz in der
westdeutschen Nachkriegsgeschichte nach 1945 einnimmt« (28).
Diesem Urteil des vermutlich besten Kenners von Lebensweg und
Leistung des Heinz Düx schließt sich der Rezensent nachdrücklich
an und fügt hinzu: Mit dieser Charakteristik ist zugleich das
Verdienst des Herausgebers um die vorliegende Veröffentlichung
gewürdigt. Es ist zu wünschen, daß möglichst viele – darunter
insbesondere juristisch und politisch Engagierte sowie jüngere
historisch Interessierte – sich dieser reichen Quelle an
Tatsachen, Argumenten und schlüssigen Folgerungen aus Leben und
Kampf eines mutigen Demokraten zuwenden. Es gilt, sie für das
Wissen um die Geschichte der bundesdeutschen Justiz, die
Realität wirklicher oder bloß behaupteter Rechtsstaatlichkeit
sowie das Verhältnis der politischen Führungskreise der
Bundesrepublik zur jüngsten Geschichte zu erschließen. 10.765
Zeichen
In: Marxistische Blätter 2/2014, S. 133-136
Solche aufrechten demokratischen
Juristen wie Heinz Düx gab und gibt es in der Bundesrepublik nur
sehr, sehr wenige. Die westdeutsche Justiz behinderte ihn auf
Schritt und Tritt und duldete ihn überhaupt nur, weil es ihr
nicht gelang, ihn aus seiner Dienststellung zu entfernen. Das
hatte die CDU im hessischen Landtag zweimal versucht, 1975 und
1982 hatte sie ein Disziplinarverfahren mit dem Ziel der
Amtsenthebung gegen ihn angestrengt, vergeblich.
Düx ist Jahrgang 1924. Weil er nicht
wehrtauglich war, konnte er 1942-1948 in Marburg Jura studieren,
unterbrochen durch eine Arbeitsverpflichtung 1944/45 im
Bahnbetriebswerk Marburg. Vor der Zwangsverpflichtung zum
Volkssturm versteckte er sich im Vogelbergkreis. Nach der
Befreiung vom Faschismus gehörte er mit Werner Krauss und
Joachim Grunau zum Entnazifizierungsausschuß der Juristischen
Fakultät der Universität Marburg. 1948 promovierte er mit einer
Arbeit über den Einfluß der freien Gewerkschaftsentwicklung auf
die Rechtsentwicklung des Deutschen Reiches bis 1914. Diese
Arbeit ist in der von Friedrich-Martin Balzer besorgten Sammlung
seiner Schriften erstmals abgedruckt.
Seit Beginn seiner Tätigkeit als Anwalt
1950 bzw. als Richter 1954 im hessischen Justizdienst war Düx
bis zu seiner Pensionierung 1989 mit der Verfolgung von
Verbrechen der deutschen Faschisten und mit der Entschädigung
ihrer Opfer befaßt. Als Untersuchungsrichter in politischen
Strafsachen beim Landgericht Frankfurt/Main bereitete er von
1960 bis 1963 mit Fritz Bauer den Auschwitzprozeß vor,
anschließend für den von Bauer geplanten Prozeß gegen
„Euthanasie“-Verbrecher den Teil Hartheim.
1970 wurde Düx zum Vorsitzenden eines
Zivilsenats am Oberlandesgericht Frankfurt/Main berufen, dieser
Senat war vorwiegend mit Rückerstattungs- und
Entschädigungsfragen beschäftigt. Düx war einer der besten
Spezialisten auf diesem Gebiet und ein unermüdlicher Widersacher
jenes „Strafvereitelungskartells“ aller drei Staatsgewalten, das
die westdeutsche Justiz beherrschte. Und er war ein
entschiedener Verfechter einer „Wiedergutmachung“ gegenüber
allen Opfern des Naziregimes. Bei drei Anhörungen des Deutschen
Bundestages/Innen- bzw. Rechtsausschuß zu diesen Fragen wurde er
1987, 1989 und 1995 als Sachverständiger gehört; seine Gutachten
und Stellungnahmen sind in der Sammlung enthalten.
Die vom Herausgeber Friedrich-Martin
Balzer gesammelten Schriften des Richters umfassen Arbeiten aus
drei Sachbereichen, einmal aus seiner Tätigkeit als
Untersuchungsrichter bei der Vorbereitung des vom hessischen
Generalstaatsanwalt Fritz Bauer durchgesetzten
Auschwitzprozesses, zweitens aus seinen Publikationen zu
Problemen der Entschädigung der Naziopfer und drittens
politisch-juristische Publizistik.
Während die Mitwirkung von Düx am
Frankfurter Auschwitzprozeß (1963-1965) bereits mit dessen
offizieller Eröffnung 1963 abgeschlossen war, wäre die Eröffnung
des Prozesses ohne seine Arbeit als Untersuchungsrichter kaum
möglich gewesen. Dieser Prozeß hat maßgeblich dazu beigetragen,
daß das Schweigen über die Wehrmachts- und Naziverbrechen in der
westdeutschen Öffentlichkeit durchbrochen werden konnte. Gegen
welche massiven justizinternen Versuche, den Prozeß zu
verhindern, und nachdem das gescheitert war, ihn zu behindern,
Bauer und seine Mitarbeiter zu kämpfen hatten, verdeutlichen
mehrere Beiträge des Bandes.
Nach dem Auschwitzprozeß bereitete Fritz
Bauer einen Prozeß zur Aufklärung der „Euthanasie“-Verbrechen
vor, für den Düx ebenfalls als Untersuchungsrichter tätig wurde.
Er ermittelte gegen die Mörder von psychisch Kranken und
KZ-Häftlingen in der Heilanstalt Hartheim in Österreich. Nachdem
Bauer 1968 überraschend gestorben war – die Todesursache ist bis
heute nicht aufgeklärt – wurden die Vorbereitungen eingestellt.
Außer juristischen und publizistischen Texten von Düx zu diesem
Gegenstand enthält der Band auch ein hier erstmals
veröffentlichtes Drama, in dem Düx die Mörder in Arztkitteln von
einem internationalen Gericht zum Tode verurteilen läßt.
Die reichliche Hälfte seiner gesammelten
Schriften handelt von seinem Kampf für die Rehabilitierung und
Entschädigung der Opfer des deutschen Faschismus. Diese Texte
analysieren den Auschwitzprozeß und seine Wirkungen, die
„Euthanasie“-Verbrechen, die verweigerte Anerkennung und
Entschädigung der Opfer der Sinti und Roma, die verweigerte oder
dilatorische Behandlung der Entschädigung der ausländischen
Zwangsarbeiter, die Abweisung der Rehabilitierung, Entschädigung
und Versorgung der Kriegsdienstverweigerer, Deserteure und
„Wehrkraftzersetzer“ und weitere Aspekte des Gegenstandes. Sie
überzeugen durch begriffliche Schärfe, sprachliche Klarheit und
radikale antifaschistische Bewertung, getragen von der
umfassenden Sachkenntnis eines Insiders, der Lügen,
Halbwahrheiten und bürokratische Feigheiten seiner Kollegen
beiseite schiebt.
Düx war nicht nur Ermittler und Richter.
Er war und ist auch ein bestechender politischer Publizist und
das nicht nur dort, wo er Justizkritik übt. Der Band enthält
mehrere Kapitel mit kritischen Kommentaren zur bundesdeutschen
Geschichte. Sie betreffen Kontinuitäten der deutschen
bürgerlichen Justiz, die Entwicklung der Notstandsgesetze, das
Widerstandsrecht, den Umgang mit Antifaschisten in der BRD, den
Nürnberger Prozeß. Sie behandeln die Ostpolitik und die
Entspannung, sie analysieren das geschriebene und das
praktizierte Verfassungsrecht und nach wie vor unerfüllte
juristische Verfassungsaufträge. Und sie entfalten zahlreiche
Facetten einer Justizkritik, wie sie nur ein eingeweihter Kenner
der Justiz der BRD üben kann.
Ein wesentlicher Komplex dieser
Publizistik betrifft die Deutschlandpolitik der BRD. Hier
zeichnet sich Düx durch außergewöhnliche Scharfsichtigkeit aus,
so liefert er eine vorzügliche Analyse des Urteils des
Bundesverfassungsgerichts von 1973 zum Grundlagenvertrag
zwischen der DDR und der BRD, die ihresgleichen sucht. So
diagnostizierte er anhand alltäglicher massenhafter
Verhaltensweisen die tendenzielle Herausbildung zweier deutscher
Nationen in den Jahrzehnten ihrer je eigenen Entwicklung. Düx
läßt sich seinen klaren politischen Blick weder von den
offiziellen Lügen und Sprachregelungen der Regierung noch von
der Massenverdummung durch öffentlich-rechtliche Medien
vernebeln, er analysiert nüchtern die Tatsachen. Und er spricht
seine Diagnosen im Klartext und zieht historische Vergleiche und
Parallelen, die irregeführten oder verblendeten Lesern die Augen
öffnen könnten, so sie denn den Mut zum Erkennen aufbringen. Die
Lektüre seiner kritischen politischen Kommentare erneuert und
vertieft Einsichten in Knotenpunkte, Widersprüche und
Entwicklungen dieser Bundesrepublik. Vielleicht ruft sie außer
Freude und Genugtuung an dieser Kritik bei manchem Leser auch
jenen moralischen Mut hervor, dessen Fehlen Düx bei den
„Richterspießern“ so sehr beklagt.
Mit Wolfgang Abendroth und Helmut Ridder
gründete Heinz Düx die Zeitschrift „Demokratie und Recht“, er
war ihr ständiger Autor und von 1973-1992 ihr Mitherausgeber.
Die meisten politischen Texte veröffentlichte Düx in der
antifaschistischen Wochenzeitung „Die Tat“, ausführlichere
Analysen in Sammelbänden und im „Bulletin des Fränkischen
Kreises“.
Der Herausgeber entschied sich für eine
vollständige Sammlung der Arbeiten von Heinz Düx. Er nahm
wissenschaftliche, publizistische und literarische Texte auf.
Das Buch enthält selbst Leserbriefe und ein Drama, literarische
Porträts von Kollegen und autobiographische Texte. Balzers
Prinzip der Vollständigkeit führte zur Dickleibigkeit des Bandes
und unvermeidlich auch zu so manchen Wiederholungen. Doch diese
sind verkraftbar. Balzer, der bereits 2004 die Schrift von Düx
„Die Beschützer der willigen Vollstrecker. Politische
Innenansichten der bundesdeutschen Justiz“ herausgegeben hatte,
setzt nun mit diesem Band Heinz Düx ein literarisches Denkmal.
Denkmäler sind statisch und können langweilig sein. Dieses Buch
aber ist spannend, stellenweise fesselnd und es ist lebendig,
weil sein Autor kämpferisch ist. In Parenthese sei bemerkt, daß
Wilhelm Rösing im Jahre 2011 einen Film über Düx gedreht hat:
„Der Einzelkämpfer. Richter Heinz Düx.“ Der Filmtitel verweist
auf ein Doppeltes, auf die lebenslange Isolierung des aufrechten
Demokraten innerhalb seiner Kollegen und auf die jeweils nur
zeitweilige Bindung des Richters an eine politische Partei.
In: Jahrbuch für
Erforschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung. 13. Jg., 2014
Er war Untersuchungsrichter im
Auschwitzprozeß
Würdigung eines Würdigen: Heinz Düx zum 90. Im April wird
Heinz Düx 90 Jahre alt
Von Ernst Heinz
Mehr als zwei Drittel seiner Lebensjahre
– nicht weniger als 68 – widmete er der Entlarvung
deutsch-faschistischer Verbrechen, ihrer juristischen
Bewältigung und der Rehabilitierung ihrer Opfer. Die gesammelten
Schriften dieses engagierten Mannes hat Dr. Friedrich-Martin
Balzer unlängst bei Pahl-Rugenstein heraus-gebracht.
Geboren in der Familie eines Marburger
Mechaniker-Meisters, wegen Lungen-krankheit nicht zur
faschistischen Wehrmacht eingezogen, studierte Heinz Düx in den
ersten Jahren nach 1945. Er arbeitete als Anwalt, Richter und
Sachverständiger, gehörte zeitweilig der KPD an, war
Gewerkschafter, SPD-Mitglied, vor allem aber in der VVN/BdA und
der Vereinigung demokratischer Juristen aktiv. Immer wieder trat
er an die Öffentlichkeit – sowohl, um Nazi-Richter und
-Staatsanwälte, die in der BRD-Justiz wieder aktiv wurden, zu
demaskieren, als auch, um die Frage zu beantworten: Was für ein
Staat ist die BRD? Er entlarvte den Mythos von der Fortexistenz
des Deutschen Reiches und erklärte: Über eine natürliche Person,
die sich mit einem verblichenen Massenmörder zu identifizieren
wünsche, könne man nur den Kopf schütteln. Daher sei es
unbegreiflich, wie ein neugegründeter Staat für sich in Anspruch
nehme, der Rechtsnachfolger einer faschistischen Diktatur zu
sein, deren hervorstechendstes Merkmal die Begehung von
Völkermord gewesen sei.
Ob als Untersuchungsrichter im
Auschwitz-Prozeß oder bei der Aufklärung der
Euthanasie-Verbrechen, als Sachverständiger im
Entschädigungssenat – Heinz Düx stritt überall für die
juristische Verfolgung der Schuldigen und die Rehabilitierung
ihrer Opfer. Angefeindet von den Wortführern der Reaktion, auf
CDU-Antrag mit Disziplinarverfahren überzogen, kämpfte er, der
1970 Vorsitzender eines Zivilsenats am Oberlandesgericht
Frankfurt am Main wurde, standhaft gegen die bundesdeutsche
Berufsverbotspraxis, die Diskriminierung von
Wehrdienstverweigerern und die Verfolgung von Mitgliedern der
illegalisierten KPD. Er wurde so zu einer Ausnahmeerscheinung
unter Juristen der BRD. Scharf kritisierte Heinz Düx auch das
Urteil des Bundesverfassungsgerichts, wonach die DDR nicht als
Ausland zu gelten habe. Er verglich die Behandlung von
Naziverbrechern und deren Karrieren in der BRD mit ihrer
Aburteilung in der DDR.
Die Gesammelten Schriften von Heinz Düx
enthalten einleitend eine bewegende Würdigung dieses
Verteidigers demokratischer Rechte und aufrechten Antifaschisten
durch den renommierten Herausgeber Friedrich-Martin Balzer. Es
folgen seine Veröffentlichungen zur juristischen Aufarbeitung
der Naziverbrechen, kritische Kommentare zur Geschichte der BRD,
Äußerungen zur Friedenspolitik und zum Völkerrecht sowie
autobiographische Texte.
Alles in allem: ein hochinteressanter
Rückblick, der zugleich brandaktuell ist.
In: RotFuchs 4/2014, S. 16
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